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Mit einem Schlag ist alles anders

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Er kündigt sich nicht an und selbst wenn er kommt, wird er oft nur schwer erkannt. Ein Schlaganfall kann von einem Moment auf den nächsten alles auf den Kopf stellen. Nicht nur die Betroffenen selbst, auch Angehörige bleiben dann oft ratlos zurück. Das muss nicht sein.

Zunächst zitterten Berbel Häseker nur die Finger. „Ich wollte eine Nachricht auf dem Handy schreiben, aber das ging einfach nicht“ erinnert sich die 71-jährige Bremerhavenerin an den folgenschweren Tag vor vier Jahren. Als ehemalige Krankenschwester hatte sie sich noch nichts dabei gedacht. „Ich hatte an dem Abend mit einer Freundin telefoniert und darüber gesprochen. Aber ein Schlaganfall konnte das ja nicht sein, da waren wir uns einig.“

Später im Bett packt sie plötzlich die Angst und sie ruft den Notarzt, der sie ins Krankenhaus mitnimmt. „Ich habe meine Notfalltasche für so einen Fall mitgenommen und die Tür hinter mir abgeschlossen – und ahnte nicht, dass ich erst ein Vierteljahr später wieder nach Hause kommen würde.“

In der Stroke Unit, der speziellen Intensivstation für Schlaganfälle im Klinikum Bremerhaven Reinkenheide, wachte Berbel Häseker am nächsten Morgen gelähmt auf und konnte nicht mehr sprechen.

Der Schlaganfall, auch Hirnschlag genannt, ist eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn. Meist wird sie durch ein Blutgerinnsel ausgelöst, das eine Arterie im Gehirn verschließt. Wird der Schlaganfall nicht so schnell wie möglich ärztlich behandelt, sterben so viele Gehirnzellen ab, dass der Patient bleibende Schäden wie Lähmungen oder Sprachstörungen davonträgt oder sogar stirbt. Jedes Jahr erleiden rund 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. 80 Prozent der Betroffenen sind über 60 Jahre alt, doch auch junge Menschen, sogar Kinder, kann er treffen.

Schätzungen zufolge behalten rund 90 Prozent der Betroffenen eine mehr oder minder starke Behinderung zurück. Die muss aber nicht bleiben – wenn man etwas dafür tut. „Der Schlaganfall lässt quasi ein Loch im Gehirn zurück“, sagt Berbel Häseker. „Das kann man aber wieder schließen, indem man dem Gehirn neue Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen anbietet.“ Wichtig dafür sind drei Dinge: Trainieren, trainieren und nochmal trainieren. „Es kann noch so mühsam sein und die Erfolge noch so unscheinbar. Aber man muss einfach dranbleiben“, betont sie. „Selbst schwere Pflegefälle haben eine Chance Fähigkeiten zurückzugewinnen. Das Gehirn kann sich selbst reparieren, so lange wir leben.“

In einer professionellen Physiotherapie etwa werden die Patienten mit sinnvollen Bewegungsübungen angeleitet und ihnen wird erklärt, warum welche Bewegungen wichtig sind, um neue Verknüpfungen im Gehirn zu bilden. Im Prinzip kann jede verlorene Fähigkeit so auch wiedererlangt werden, wobei es aber auch auf die Schwere des Schlaganfalls ankommt. Bei der Wiederherstellung sind die Patienten nicht nur auf ihre eigene Mitarbeit angewiesen.

„Aber jede zumutbare Aufgabe, die man selbst erledigt, hilft bei der Regeneration. Gerade normale Alltagsaufgaben sind dabei wichtig.“
Neben Therapie und Rehabilitation müssen sich Betroffene sich nach einem Schlaganfall mit vielerlei Alltagsproblemen herumschlagen. Hilfreich ist dabei eine Selbsthilfegruppe. „Als ich aus dem Krankenhaus kam, gab es in Bremerhaven keine Selbsthilfegruppe mehr“, erzählt Berbel Häseker. „Die letzte hatte sich einige Zeit zuvor aufgelöst.“ Kurzerhand suchte sie per Inserat nach anderen Betroffenen und gründete einen Gesprächskreis, aus dem sich schnell eine anerkannte Selbsthilfegruppe entwickelte. „Was die Unterschiede zwischen beiden Formen sind und wie man zur Selbsthilfegruppe wird, das musste ich mir alles nebenher erarbeiten. So etwas erfährt man ja sonst nicht.“

Ihre Selbsthilfegruppe „Schlaganfall und Hoffnung“ trifft sich einmal im Monat in der „Guten Stube“ beim Standortmanagement Geestemünde in der Schillerstraße. Dort tauschen Betroffene und Angehörige Erfahrungen und relevante Informationen aus und geben sich gegenseitig Unterstützung. „Viele Dinge, die einem den Alltag erleichtern, unnötige Probleme vermeiden oder bares Geld sparen, erfährt man nur durch die Erfahrung anderer“, erklärt Berbel Häseker. „Von Ärzten, Krankenkassen, Rententrägern und Behörden bekommt man nämlich nicht selten zu einer Frage viele unterschiedliche Antworten. Da wird man vom einen zum anderen geschickt. In der Gruppe ist immer jemand dabei, der sich auskennt.“ Außerdem werden regelmäßig Experten aus Medizin, Pflege oder dem Sozialbereich zu Vorträgen und Info-Nachmittagen eingeladen.

Ebenso wichtig wie praktische Hilfe, ist für die Betroffenen die seelische Unterstützung. „In der Gruppe hat man Leute an seiner Seite, die durch die gleiche Hölle gegangen sind und wissen, wie man sich fühlen kann“, sagt Berbel Häseker. Zuspruch ist für viele Betroffene ein Problem. Weil sie bestimmte Dinge nicht mehr können, leidet vor allem das Selbstwertgefühl. „Oft wird den Menschen nach einer Schlaganfall-Erkrankung von ihrem Umfeld zu wenig Hoffnung gemacht“, so Berbel Häseker weiter. „Aber das Leben ist ja eben noch nicht vorbei! Ich zum Beispiel habe meine Einschränkungen. Aber ich kann gut damit leben. Ich kann verreisen, weil man zum Beispiel bei der Bahn oder bei Fluggesellschaften einen Mobilitätsservice buchen kann. Ich kann auf Radtouren gehen. Dazu habe ich mit dem ADFC eine Dreirad-Gruppe gegründet. Es gibt noch so viel zu sehen und auszuprobieren…“

Wie kann ich einen Schlaganfall rechtzeitig erkennen?

Experten empfehlen vier Maßnahmen zur Erkennung eines möglichen Schlaganfalls bei einem Betroffenen:

  1. Bitte die Person, zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, kann das auf eine halbseitige Lähmung hindeuten.
  2. Bitte sie, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, ein Arm sinkt oder dreht sich.
  3. Lass sie einen einfachen Satz nachsprechen. Geht das nicht oder klingt die Stimme verwaschen, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor.
  4. Unverzüglich den Notruf verständigen und die Symptome schildern.

Nützliche Adressen

Hier kann dir oder deinen Lieben nach einem Schlaganfall geholfen werden.

Selbsthilfegruppe Schlaganfall & Hoffnung
Die erste Anlaufstelle nach dem Krankenhaus. Treffen jeden ersten Montag im Monat in der „Guten Stube“, Schillerstraße 64. Berbel Häseker leitet die Gruppe und ist unter Telefon 0155-10910952 erreichbar. Die nächsten Treffen sind am 2. Juli und am 4. August, jeweils um 15 Uhr. Du findest die Termine auch in unserem Online-Veranstaltungskalender.

Pflegestützpunkt im Land Bremen

Hier werden dir alle Fragen rund um das Thema Pflege beantwortet. Von Pflegemöglichkeiten über Finanzierung und rechtliche Aspekte bis hin zu Unterstützung bei Anträgen kannst du Beratung und Hilfe bekommen. Das Bremerhavener Büro ist in der
Bürgermeister-Smidt-Str. 29/31,
27568 Bremerhaven.
Telefon: 0471/3097790
bremerhaven-pflegestuetzpunkt.de

Sozialverband Deutschland (SoVD)

Der SoVD berät seine Mitglieder u.a. zu Schwerbehindertenrecht, Reha- und Teilhabe-Maßnahmen vertritt ihre Interessen gegenüber Sozialleistungsträgern. Den Kreisverband Bremerhaven findest du in der
Barkhausenstraße 22,
27568 Bremerhaven.
Telefon: 0471/28006
sovd-hb.de

Sozialverband VdK

Der VdK berät seine Mitglieder in allen rechtlichen Belangen rund um Pflege, Rente, Erwerbsminderung und Teilhabe und hilft bei Anträgen sowie in Streitfällen. Beratungstermine können unter Telefon 0421 1654817 vereinbart werden. niedersachsen-bremen.vdk.de

Hanel-Stiftung Cuxhaven

Die Stiftung hilft Senioren, die in Altersarmut leben. Als Begleitung bei Behördengängen und Formalitäten, mit Veranstaltungen, Ausflügen und Frühstücks- oder Kaffeetreffs, aber auch ganz unbürokratisch mit Sachspenden, Lebensmitteln oder warmen Mittagsmahlzeiten. Die Adresse ist:
Neustraße 16, 27472 Cuxhaven.
Telefon 04721 3962073
senioren-stiftung.de

Viele weitere Informationen rund um das Thema Schlaganfall gibt es außerdem auf der Webseite der Deutschen Schlaganfall-Hilfe unter www.schlaganfall-hilfe.de

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