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Seit neun Jahren ist Nicole Jäger erfolgreich als Comedy-Künstlerin unterwegs. Dass sie Abend für Abend auf den Bühnen Deutschlands steht, ist umso bemerkenswerter, als dass sie noch einige Jahre zuvor 340 Kilo wog und nicht einmal ihre Wohnung verlassen konnte. Sie nahm 170 Kilo ab und kämpfte sich buchstäblich ins Leben zurück. Ihre Geschichte verarbeitete sie in einem Buch und ihrem ersten Comedy-Programm. Mit ihrem vierten Programm tourt sie jetzt durch Deutschland und kommt am 18. Januar 2025 ins Capitol in Bremerhaven. Wir sprachen mit ihr über Selbstvertrauen, Diätquatsch und das geile Gefühl, norddeutsch zu sein.

Nicole, dein aktuelles Programm heißt „Walküre“. Was erwartet uns da?

Vordergründig geht es um das Erwachsensein und die damit verbundenen Probleme. Ich bin jetzt 42 und ich habe eigentlich keine Ahnung, wie man sich als Erwachsener verhält. Es gibt so viele Dinge, die ich gern schon mit 12 gewusst oder gelernt hätte und nicht erst mit Anfang, Mitte 20. Das Komische ist: Alle um einen herum wissen es auch nicht besser, tun aber so. Das Motto von „Walküre“ ist: Wir können nicht alle Götter sein und alles wissen. Und nicht jeder kann einen Körper aus Honig und Glas haben. Manche sind auch dafür geschaffen, ein verdammtes Dorf zu zerstören.

Du nimmst dich in deinen Programmen selbst aufs Korn, kannst aber auch schonungslos ernst bis schmerzhaft werden. Ist Comedy für dich auch eine Art Erziehungsarbeit oder eine Therapie für beide Seiten der Bühne?

Comedy ist irgendwie immer Therapie. Es ist die prädestinierteste Form, um über Gefühle, Ängste oder Versagen zu sprechen. Wir tun alle so, als hätten wir alles im Griff, aber tatsächlich gerät uns das Leben immer wieder aufs Neue außer Kontrolle. Lachen hilft, diese Gefühle zu verarbeiten, insofern ist Comedy auch eine Therapie. Und in der stressigen Welt heutzutage ist es sicher nicht die schlechteste.

In deinem ersten Buch „Die Fettlöserin“ beschreibst du, wie du fast 200 Kilogramm abgenommen hast. Was war deine größte Herausforderung dabei und was hat dir am meisten geholfen?

Die größte Herausforderung war, den ganzen Diätquatsch, der uns umgibt, zu überwinden. Wenn Diäten wirklich helfen würden, bräuchten wir sie ja längst nicht mehr. Ich musste meinen Körper verstehen lernen, um ihn zu verändern und lernen, die Körperlichkeit von der Emotionalität zu trennen. Der Weg, seinen Körper zu verändern, ist in höchstem Maße persönlich. Ich bin ja nicht zu blöd um zu verstehen, dass Schokolade schlechter für das Gewicht ist als Obst. Sport und richtige Ernährung, das sind alles klare Sachen. Entscheidend ist: Was brauche ich persönlich, um diese Verhaltensänderungen auch durchzuhalten?

Wie kamst du danach auf die Comedy-Bühne? Was hat dich dazu motiviert?

Tatsächlich kam der Verlag auf die Idee, mich zu einer Lesereise zu schicken. Mein Manager und seit vielen Jahren bester Freund hatte darauf die großartige Antwort: „Das ist doch stinklangweilig. Niemand will eine Fette lesen sehen. Du musst das performen!“ Wir hörten dann, dass wir früh anfangen sollten, weil man im Schnitt fünf Jahre braucht, bis man das erste Bühnenarrangement bekommt. Wir haben dann ein Programm zusammengeschustert und drei Monate später hatte ich Premiere. Ein todsicherer Auftritt bei völliger Ahnungslosigkeit. Es war eine tolle Idee, nur wussten wir das damals noch nicht.

Siehst du dich auch als Vorbild und Mutmacherin für Menschen, die nicht der Norm entsprechen?

Sich selbst als Vorbild zu betrachten, finde ich ziemlich cheesy. Ich würde sagen, ich möchte die Leute „empowern“, ihnen Stärke geben und sagen: „Nur weil du anders bist, bist du nicht weniger wert, nur weil du Übergewicht hast, bist du keine Mangelware. Egal was die anderen sagen. Lass die reden und mach dein Ding!“

Ist dein Körpergewicht ein Vorteil in der Comedybranche, weil du dadurch ein sehr prägnantes Markenzeichen hast? Oder eher Hindernis, weil es festlegt?

Festgelegt bin ich nicht. Mein Gewicht ist ja seit der ersten Show kein zentraler Programmpunkt mehr. Es geht ja jetzt vor allem die Diskrepanz in der eigenen Wahrnehmung: Bin nur ich ein Vollidiot und alle anderen normal? Mein Gewicht ist ein sichtbares Merkmal, das kann ich nicht ablegen, aber kein Markenzeichen. Eine Besonderheit ist es nur weil generell im Showbusiness Frauen unterrepräsentiert sind, übergewichtige Frauen erst recht. Aber wenn keine Frau vorangeht, ändert sich daran auch nichts.

Sind über „Walküre“ hinaus schon neue Projekte in Aussicht? Magst du schon was verraten?

Im März erscheint mein neues Buch „Du hast ein Recht darauf, glücklich zu sein“. Und mit „Walküre“, das vor einem Jahr gestartet ist, bin ich noch bis zum Frühjahr 2026 auf Tour.

Was unsere Leser besonders interessiert: Hast du Bremerhaven schon einmal kennenlernen können? Als Hamburgerin lebst du ja nicht weit weg.

Privat war ich mal für drei Stunden in Bremerhaven, aber ohne Möglichkeit, groß etwas zu sehen. Beruflich ist es mein erster Auftritt in der Stadt. Deshalb bin ich sehr gespannt, wie die Bremerhavener so drauf sind. Aber was soll da schon schiefgehen? Ich bin zwar Hamburgerin durch und durch, aber in erster Linie Norddeutsche und wir sind ja schon ein besonderer Schlag. Da ist mir auch Bremerhaven so nah als würde ich in meinem eigenen Wohnzimmer spielen. Und das ist einfach ein geiles Gefühl, ich liebe das.

Beachte unser Gewinnspiel „Nicole Jäger“ auf: https://moin-bremerhaven.de/teilnahmebedingungen-fuer-gewinnspiele/

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