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Dr. Melanie Bergmann tut was gegen Plastik im Meer
©Ana_L_Rodríguez Heinlein_Privat

Melanie Bergmann arbeitet als promovierte Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, in Bremerhaven. Seit 2011 erforscht die international bekannte Wissenschaftlerin, wie Plastik ins Meer gelangt und welche Auswirkungen es auf unsere Ökosysteme hat. Mit der Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse versucht sie, das Problem bei der Wurzel zu packen. Im Interview erzählt sie von ihrer Arbeit und warum sie Öko-Tipps eigentlich gar nicht mag.

Kannst du uns kurz erklären, wie Plastik ins Meer gelangt?

Plastik kommt auf sehr unterschiedlichen Wegen ins Meer. Einerseits über Schiffe, die ihren Müll im Meer entsorgen oder wenn Fischereigerät verloren geht. Oder über Container, die ihre Fracht verlieren, wie 2019 bei der „MSC Zoe“ in der Nordsee. Auch auf dem Landweg kommt Plastik ins Meer. Durch Abfall, der in unseren Flüssen landet oder von der Küste ins Meer gespült wird. Eine weitere Quelle sind die Klärwerke. Sie halten Plastik zwar zum großen Teil zurück, aber alle aus unserer Kleidung ausgewaschenen Kunststofffasern können sie nicht aufhalten. Was uns außerdem oft nicht bewusst ist: Mikroplastik kann auch über die Luft ins Meer gelangen, beispielsweise über Verwehung von Reifenabrieb oder lackierten Oberflächen.

Warum ist das öffentliche Bewusstsein für Plastik im Meer eigentlich größer als für Plastik an Land?

Schwer zu sagen. Eigentlich wäre es doch viel einfacher, auf irgendeinem Feld Proben zu nehmen, anstatt mit einem Schiff in die Mitte des Ozeans zu fahren. Aber es wird tatsächlich mehr zu Meeresverschmutzung geforscht. Vielleicht haben viele Menschen auch eine Art „Müllblindheit“ und sind an eine gewisse Verschmutzung an Land gewöhnt. Aber beim Meer weiß man, da hat der Müll nichts zu suchen. Von vielen wird der Ozean als Sehnsuchtsort angesehen. Deshalb wird das Thema Meeresplastik vermutlich stärker wahrgenommen als Plastik an Land. Oder der Diskurs wird taktisch bewusst aufs Meer fokussiert, um von den Ursachen – der zu hohen Produktion an Land – abzulenken.

An was für einem Projekt arbeitest du gerade?

Aktuell werten wir unsere Proben von Sinkstofffallen aus. Die sammeln alles ein, was von der Meeresoberfläche absinkt. So können wir untersuchen, wie sich der Mikroplastikfluss im Laufe eines Jahres verändert und welche Faktoren eine Rolle spielen, zum Beispiel eine Eisdecke oder Algenblüte.

Haben eure Forschungen einen positiven Einfluss auf die Politik?

Ich veröffentliche regelmäßig Pressemitteilungen zu unseren Forschungsergebnissen. Damit versuche ich ein Problembewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen, was auch den Druck auf die Politik erhöhen kann. Momentan begleite ich zudem die deutsche Delegation zu den Verhandlungen für ein globales Plastikabkommen. Außerdem haben wir ein Netzwerk unabhängig forschender Wissenschaftler aufgebaut, um die Delegierten zu unterstützen.

Kannst du uns dazu mehr erzählen?

2022 hat die Umweltversammlung der UN beschlossen, bis 2024 ein globales Plastikabkommen zu verhandeln. Bis jetzt gab es zwei Verhandlungsrunden. Die nächste ist im November in Nairobi. Da kommen alle Nationen zusammen und verhandeln, welche Maßnahmen weltweit ergriffen werden sollen, um die Plastikverschmutzung zu verringern. Deutschland und die EU gehören dabei zu einer „High Ambition Coalition“, die sehr weitreichende Forderungen stellt. Aber auch Länder wie Peru, Ruanda, Norwegen und Großbritannien gehören dazu. Wie weitreichend es sein wird, weiß man aber noch nicht.

Hast du praktische Umwelt-Tipps für unsere Leser, damit weniger Plastik im Meer schwimmt?

Eigentlich mag ich diese Öko-Tipps nicht, weil man als Verbraucher sehr eingeschränkt in seinen Handlungsmöglichkeiten ist. Denn wenn man versucht, weniger zu verbrauchen, stößt man schnell an seine Grenzen und dann wenden sich einige frustriert ab. Der gesetzliche Rahmen stimmt eben nicht. Wir brauchen systemische Veränderungen, die umweltverträgliche Lösungen günstiger machen. Dennoch können Veränderungen im Konsumverhalten, wie zum Beispiel das Verwenden von Mehrwegbehältern nach außen strahlen und den Nährboden für eine Veränderung bereiten. In dieser Zeit ist es wichtig, sich für unsere Umwelt zu engagieren und zu wählen.

Gibt es Müll, der dich richtig nervt?

Zigarettenkippen wegzuschnippen ist leider noch ein Kavaliersdelikt. Auch bei Leuten, die ihren Müll nicht in die Umwelt schmeißen. Dabei ist das ein echtes No-Go! Denn in dem Plastikfilter sind die Giftstoffe einer Zigarette enthalten, die die Umwelt – auch Bäume – schädigen. Das kann jeder Raucher sehr schnell ändern.

Mehr über Melanie Bergmanns Arbeit erfährst du hier.

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