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Familie Reinhard in ihrem Verkaufswagen auf dem Weihnachtsmarkt
©Kelling

Ruth und Willi Reinhard sowie Sohn Willy sind Urgesteine auf dem Bremerhavener Weihnachtsmarkt. Doch wer denkt, die Reinhards würden nur zu Weihnachten rotieren, der irrt sich gewaltig. Auch auf Sylt werden Mandeln verkauft, auf dem Hamburger Bauernmarkt, auf dem Bremer Oktoberfest … Reinhards Königsmandeln sind überall gefragt.

Fleißig wie die Ameisen

Es gibt nur einen festen Mitarbeiter und eine Aushilfe. Ansonsten managen die Reinhards alles selbst: Bestellung der Zutaten, Produktion der Süßigkeiten, Tourenplanung, Logistik, Verkauf, Reinigung, Buchhaltung, Reparaturen der Wagen und Maschinen. Ruth bezeichnet sich und ihre beiden Männer als Ameisen: „Morgens schnacken wir zusammen am Tisch und dann erledigt jeder seine Aufgaben. Feierabend ist meist um 20 Uhr. Es gibt immer was zu tun.“ Kein Wunder, laut Willi Senior: „Die Kleinveranstaltungen sind wie Pilze aus der Erde gewachsen.“ Und auf vielen steht einer der sechs Verkaufswagen von Familie Reinhard.

Der Sommer hat es in sich

Die heftigsten Monate sind nicht die Wintermonate, sondern Juli und August. „Weil wir da mit unseren Wagen in mehreren Ferienorten stehen“, erklärt Willy Junior. Und manchmal wird der Verkaufswagen erst um Mitternacht abgeschlossen. Ob sich die ganze Arbeit lohnt, zeigt sich dann bei der Jahresabrechnung. Kein Tag ist wie der andere. Manchmal vermiest das schlechte Wetter das Geschäft oder es passiert etwas, auf das absolut niemand vorbereitet ist.

»Sieben Tage die Woche, jeden Tag zwölf Stunden arbeiten – da hast du keine Zeit alt zu werden!« Willi Reinhard Senior

In der Corona-Zeit wurde Familie Reinhard erfinderisch: Der Junior eröffnete einen Drive-in und verkaufte Mandeln und anderes Zuckerwerk durchs Autofenster: „Da habe ich gemerkt, wie solidarisch die Bremerhavener Stammkunden mit uns sind. Die haben nicht nur für sich gekauft, sondern auch für die Nachbarn, die obere Etage und für die ganze Straße. Das hat uns durch die unsichere Zeit getragen.“ Sogar die Deutsche Presseagentur berichtete darüber. Willi Senior sammelt übrigens jeden noch so kleinen Zeitungsartikel, der über seine Familie veröffentlicht wird. Mittlerweile sind da einige Stapel Papier zusammengekommen.

Was ist eigentlich das Besondere an diesen Mandeln?

Ganz klar: Zum einen schmecken sie einfach hervorragend. Sie enthalten keinerlei Zusatzstoffe und sind weniger zuckrig als andere Mandeln. Willy Junior hat den Namen „Königsmandel“ für sein Produkt sogar schützen lassen: „Es gab einige Schausteller, die den Namen einfach kopiert haben und plötzlich selbst sogenannte Königsmandeln in der Auslage hatten. Das ging gar nicht!“ Nun gibt’s nur noch die echten Königsmandeln von Reinhards. Wer kopiert, wird abgemahnt. Zumindest im norddeutschen Raum. „Ob es in Bayern eine Königsmandel gibt, ist uns egal.“

Starke Familienbande

Es scheint so, als ob das Schaustellergewerbe gar nicht so romantisch ist, wie man gern glauben würde. „Ja, das stimmt“, schaltet sich Ruth ein. „Früher, als ich jung war, da saßen die Schausteller abends noch oft zusammen und haben miteinander geklönt, getrunken und gegrillt. Heute ist der Konkurrenzdruck leider höher und jeder bleibt unter sich.“ Freunde hat man schon auf den Märkten, aber dann in einer anderen Branche. Umso stärker sind die Familienbande, auf jeden Fall bei den Reinhards.

Oma und Opa sind die Besten

Die Kinder von Willy Junior, Lilly-Rose (6 Jahre) und Leroy (12 Jahre), verbringen viel Zeit bei den Großeltern. Zusammen waren sie sogar schon auf Kreuzfahrt. „Gar kein Problem. Die Kinder hängen sehr an uns“, so Opa Willi. „Leroy hat im letzten Sommer auf Teneriffa Surfen gelernt. Das hat so viel Spaß gemacht, ihm zuzuschauen und ihn anzufeuern!“ Und die kleine Lilly-Rose hilft gern mal im Verkaufswagen mit – auch weil sie selbst die Mandeln so mag. Die scheinen einfach zeitlos zu sein. „Ich habe immer mal wieder Kunden, die erzählen: Als ich ein Kind war, hab ich schon bei deinen Eltern und Großeltern Mandeln gekauft“, so der 57-jährige Junior. „Manchmal hab ich da selbst eine Träne im Knopfloch.“ Aber meistens wird bei den Reinhards gelacht. „Mir ist wichtig, dass unsere Kunden immer mit einem Lächeln gehen. Wir verkaufen ja nicht nur ein Produkt. Es geht ja auch um Emotionen.“

„Süßigkeiten müssen so schmecken, wie du es aus deiner Kindheit kennst.“ Willy Reinhard Junior

Die „Seute Deern“ in der Kuchenbude

Die 80-jährige Ruth ist mit Mandeln und Süßigkeiten großgeworden. Seit ihrem zehnten Lebensjahr steht sie schon im Verkaufswagen – die Fortsetzung einer langen Familientradition. Ein anderer Beruf kam für sie nicht in Frage. Als sie und Willi sich ineinander verliebten, gab er seinen Job für sie auf und wurde selbst Schausteller. Zusammen hatten sie zuerst eine Kuchenbude. Seit über 60 Jahren verbringen beide nun jeden Tag von morgens bis abends miteinander und verstehen sich immer noch prächtig. Willi nennt seine Ruth bis heute „Seute Deern“. Beide haben zusammen viel erlebt, viel durchgemacht und viel gearbeitet. Das „süße Mädchen“ hat seinen Humor dabei nie verloren: „Ich habe 30 bis 40 Jahre lang Honigkuchen mit Waffeln verkauft. Aber jetzt verkaufen wir die nicht mehr, weil die zu schnell trocken werden. Trotzdem werde ich immer wieder gefragt: Haben Sie noch Waffeln? Und dann sag ich immer: Ich glaub, ich habe ein Waffelgesicht.“

Vermutlich könnten die Reinhards auch Kakteen oder Kochtöpfe verkaufen. In jedem Fall versüßen sie ihren Kunden den Tag, ob mit Königsmandel oder ohne.

Willy Reinhard Junior: KURZ & KNAPP

  • MEINE STÄRKEN: Ich kann alles, aber nix richtig!
  • MEINE SCHWÄCHEN: Ich kann alles, aber nix richtig!
  • MEIN LEBENSMOTTO: Ziele, Wünsche, Träume – ohne ist das Leben nichts wert.
  • DAS MAG ICH BESONDERS AN BREMERHAVEN: Bremerhaven ist mein Zuhause, meine Heimat. Hier komm ich immer wieder her.
  • WAS ICH UNBEDINGT NOCH MACHEN ODER SEHEN WILL: Eigentlich nix, ich kenn alles in und auswendig. Ich bin ein alter Fahrradfahrer.

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