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„Keine Grenze zwischen Bühne und Publikum“ – Deich-Talk mit Jörg Göddert vom TiF

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Wer in diesem Herbst noch nichts vorhat, sollte schleunigst ein paar Tickets reservieren: Das Theater im Fischereihafen (TiF) wartet mit einem facettenreichen Programm auf – vom Rudelsingen über den Bremerhavener Comedy-Marathon „Komische Nacht“ bis hin zu Isabel Varell, Alfons oder Ingo Appelt. Das Repertoire stellt Jörg Göddert zusammen: ein echter „Bremerhavener Jung“, der als Schauspieler beim Stadttheater Bremerhaven anfing und nach und nach von der Bühne ans „Ruder“ ins TiF wechselte. Seit 2008 ist er dort Geschäftsführer und hat auch die künstlerische Leitung. Im Interview mit der MOIN-Redaktion blickt er auf seine Bühnenerfahrung zurück, verrät, was das TiF ausmacht – und erklärt, warum Theater für Bremerhaven wichtig ist.

Jörg, du hast einmal gesagt, dass es dich ohne den Fischereihafen vielleicht nicht geben würde. Das klingt geheimnisvoll. Was steckt dahinter?

Ganz einfach: Meine Eltern haben sich hier kennengelernt. Das war damals in der Fischbratküche. Meine Mutter hat dort gearbeitet und mein Vater, der zu der Zeit Kapitänsanwärter war, hat in dem Restaurant Mittag gegessen. Dann haben sie sich zum Tanzen verabredet, und so hat alles angefangen. Ich bin in Lehe und Mitte aufgewachsen. Wir haben stundenlang in dem Park gespielt, wo heute der Neubau des Lloyd- Gymnasiums steht. Und ganz genau kann ich mich dran erinnern, wie ich mit meinem Bonanza-Rad den Weserdeich runter ins Wasser gebrettert bin, weil ich nicht bremsen konnte.

Wusstest Du als Kind schon, dass mal als Schauspieler in Bremerhaven auf der Bühne stehen willst – vor allem im Fischereihafen?

Geplant war das nicht, obwohl meine Familie schon eng mit dem Wasser verbunden ist: Mein Großvater fuhr vom Fischereihafen aus zur See, mein Vater war Kapitän und ich selbst habe auch ein Segelboot in Travemünde. Das historische Ambiente im Schaufenster ist einfach wunderschön.

Angefangen hast du dann 1994 mit der Theatergruppe Instant Impro, die du mitgegründet hast. Im vergangenen Jahr hat das Ensemble den 30. Geburtstag gefeiert. Worin besteht der Erfolg dieser Bremerhavener Freestyle-Schauspiel-Truppe?

Ganz klar darin, dass die Mitglieder handwerklich gute Qualität liefern, auch wenn es sich um Improvisationstheater handelt. Außerdem hat lange Zeit niemand die Truppe verlassen. Diese Kontinuität im Ensemble hilft dabei, sich bei spontanen Erfindungen und Publikumsvorschlägen aufeinander zu verlassen.

Auf die freie Momentgestaltung haben wir uns vor den Aufführungen ein ganzes Jahr lang vorbereitet: Welche Spielvarianten gibt es, wo entsteht ein Witz? Ich weiß noch genau: Am 16. September 1994 haben wir zum ersten Mal vor Publikum gespielt und zwar im Bremerhavener Pferdestall – das war ein Moment … Das TiF wurde dann 1996 vor allem als Heimspielstätte für Instant Impro gegründet. Ich selbst stehe heute leider nicht mehr auf der Bühne.

Das TiF wird nächstes Jahr 30 Jahre alt und ist auch überregional ein Begriff. Warum kommen selbst bundesweit bekannte Künstler immer wieder gern hier ins Theater in den Fischereihafen?

Beim TiF bieten wir einen bunten Mix aus Prominenten und Newcomern, kleinen und großen Ensembles, Musik, Zauberei und Kleinkunst. Wolfgang Trepper und Mary Roos hatten hier ihre Vorpremiere für ihr Comedyprogramm – jetzt spielen sie in vollen Hallen. Viele bekannte Künstler haben im TiF ihre Karriere gestartet. Auch für Schultheaterproduktionen steht unser Haus immer offen.

In unserem Spielsaal gibt es keine Grenze zwischen Bühne und Publikum. Das sorgt für eine intime Atmosphäre wie in einem Clubkonzert. Wenn jemand was ausprobieren will, stellen wir uns nicht quer, auch nicht bei Kindern und Jugendlichen. Solange wir für die Künstler alles geben, gelingt der Abend für die Zuschauer – es muss aber finanziell machbar sein. Ich kann nur den Kopf schütteln, wenn Leute sagen, in Bremerhaven wäre kulturell nichts los. Klar gibt’s im Süden Deutschlands mehr Bühnen, aber auf Reisen in den Norden ist Bremerhaven für Kulturschaffende immer mit dabei.

Für das Jahr 2025 wird das TiF zusätzlich finanziell unterstützt durch die Dieckell-Stiftung, die Petram Group Bremerhaven und die Weser- Elbe Sparkasse. Wie geht es ab 2026 weiter?

Was die Finanzen betrifft, wird nächstes Jahr nochmal richtig schwierig! Die letzten Jahre haben eine hohe Preissteigerung gebracht. Rechnen wir alles zusammen, kommen wir auf eine finanzielle Lücke von 30.000 Euro. Der Zuschuss der Stadt reicht nicht mehr, um die Gehälter und stark gestiegenen Nebenkosten zu decken. Mit den Einnahmen aus dem Spielbetrieb haben wir keine Luft nach oben mehr. Wir leben von unserem treuen Publikum und der 95-prozentigen Auslastung. Ich habe bereits mit Kulturdezernent Hauke Hilz und Kulturamtsleiterin Dorothee Starke wegen der angespannten Finanzlage zusammengesessen, aber eine Lösung ist nicht in Sicht. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand und sind definitiv auf private Spenden und weitere Unterstützung aus der Wirtschaft angewiesen.

Was kann der Einzelne tun, um das Kulturangebot in Bremerhaven zu erhalten?

Tickets und Gutscheine für Veranstaltungen kaufen und verschenken. Man kann auch spenden, an die Veranstalter selbst oder ihre Fördervereine. So wie das TiF stellen viele Spendenbescheinigungen zum Absetzen beim Finanzamt aus. Zurzeit erleben wir überall auf der Welt eine gesellschaftliche Spaltung. Das Theater hingegen bietet den Menschen die Möglichkeit, Emotionen auszutauschen, andere Blickwinkel kennenzulernen und ein positives Miteinander zu gestalten – ohne erhobenen Zeigefinger. Viele Schauspieler leisten in ihrer Stadt pädagogische Arbeit, gehen in Schulen, leiten Workshops. Aber wenn die finanzielle Unterstützung fehlt, geht die Kultur ein – und das darf nicht sein.

tif-bremerhaven.de

Jörg Göddert – kurz & knapp

  • Meine Stärken
    Ich kann gut organisieren.
  • Meine Schwächen
    Ich bin oft ungeduldig.
  • Mein Lebensmotto
    „Wird schon!“
  • Das mag ich besonders an Bremerhaven
    Das Wetter! (Natürlich abgesehen vom Schaufenster Fischereihafen.)
  • Was ich in Bremerhaven unbedingt noch machen oder sehen will
    Dass Speckenbüttel ein neues Bootshaus bekommt – ich wohne nämlich gar nicht weit entfernt.

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